Samstag, 26. Juni 2010

Sofia

Rumpel-pumpel wache ich auf. Marco Polo ist, wie immer schon vor mir auf den Beinen. Eine weitere Strassenbahn zieht an unserem Schlafplatz am Rande einer von Sofias Hauptstrassen vorbei. Das Gleisbett ist so schlecht, wie ich es aus Russland kenne - aber hier ist doch EU!? Da liegen die Steine lose zwischen den Gleisen und die Bahnen aus Sowjet-Zeiten sind nicht vom leiseren DDR-Modell, was die Dezıbel zusaetzlich in die Hoehe treibt.
Aber wir wollen auch von dieser Stadt einen kleinen Eindruck gewinnen und begeben uns weiter in das Zentrum. Vorbei an grauen Haeusern in diversen Sanierungs-, aber eher Verfallszustaenden und vorbei an den vielen Baeumen, die die Strassen dieser Stadt zu den grünsten machen, denen wir auf unserer Reise bisher begegnet sind.
Im Vergleich erscheint mir Brno bereits übersaniert und als Teil Westeuropas, Budapest als Metropole aktueller Kultur (die aber in den kommenden Jahren vergentrifiziertsein dürfte), Belgrad als eine Stadt an der Peripherie Europas, in der sich in den kommenden Jahren viel zum positiven veraendern wird und schliesslich Sofia als verschlafene Ostblock-Stadt, in der sich nicht viel tut. Zumindest empfanden wir das Strassenleben nicht als besonders offen und experimentierfreudig - Jugend, Musik und Kultur haben wir vergeblich gesucht. In der schoenen Haupteinkaufsstrasse freue ich mich, neben den vielen Beck's-Sonnenschirmen auch einige von Segafredo zu finden. Doch statt guten Esspressos gab es hier nur den beliebten Nescafe. Beim Schnack mit dem Besitzer berichtete er von der rasanten Bevoelkerungszuhnahme der Stadt. Mein Eindruck war also nicht vollkommen zutreffend gewesen.
Auf dem Rückweg zum Auto hole ich den Espresso in einem chicken, neuen Trend-Coffeeshop nach. Einem Starbucks-Imitat. Bleibt der Stadt und dem Land zu wünschen, dass die Transformation, die bereits die Gesichter von Brno und Budapest so sehr veraendert hat, die Invasion der Konzerne und Investoren dem Land die Luft lassen, um sein individuelles Gesicht staerker zu entwickeln. Es steht aber zu befürchten, dass hier die Entwicklung noch rasanter laufen wird als in Budapest, wo schon die negativen Folgen und Diskrepanzen (z.B. Überwachungskameras an verfallenden Haeusern) deutlich zu sehen sind.

Wir verlassen die Stadt. Vom Stadtring aus sehen wir, wie Sofia in einem Talkessel gelegen ist. Doch leider müssen wir unsere Aufmerksamkeit voll den Strassenverhaeltnissen widmen und genau beobachten, wie die LKWs vor uns den riesigen Schlaglöchern ausweichen (die in ihren Dimensionen bis Mardin in der Türkei nicht übertroffen werden sollten). Geschafft. Wir sind zurück auf der Transitroute gen Türkei.
Manchmal aehnelt die Strasse eher einer kleinen Landstrasse, die ihre internationale Bedeutung gekonnt zu verbergen weiss, indem sie einfach als Tempo-30-Zone durch kleine Dörfer führt. Waehrend sich die naechtliche Finsternis auf den langen Autotrek legt, verirren wir uns aufgrund der schlechten Ausschilderung - und mit uns wieder halb Niedersachsen - waehrend am Stassenrand bulgarischer Kaese verkauft wird.

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