Dienstag, 29. Juni 2010

Von wahren und falschen Freunden #3

In besagter Leyla Teras finden wir an Gästen nur einen einzigen Mann in der Ecke sitzend und Fisch essend vor. Es mögen unsere bemitleidenswerten Gestalten gewesen sein, die ihn uns zum Mitessen einladen ließen. Ich zögerte und blieb lieber an unserem Tisch sitzen, während sich Marco Polo zu ihm setzte und mit von dem gebratenen Fisch mit Minze, Zwiebel und Pepperoni aß. Am Ende kommen die beiden über die obligatorische Zigarette ins Gespräch. Wobei: 'Gespräch' ist übertrieben, denn der Gast kann keine Sprache, die auch wir beherrschen. Mit Händen und Füßen - manchmal unter Zuhilfenahme anwesender Gäste und der Betreiber des Lokals - ergibt sich jedoch bald ein reger Austausch, dem ich mich nicht entziehen kann, setze mich dazu und bestelle noch einmal Fisch.
Es handelt sich um Sonar - einem bekennenden Anarchisten und offensichtlichen Stammgast der Leyla Teras. Er ist Kurde und stammt aus einem Dorf beim Van-See. Marco Polo erzählt von unserem Reisevorhaben (wie er es sich schnell angewohnt hat, bei jedem neuen Menschen zu tun, den wir kennenlernen - was sich oft als guter Aufhänger für nähere Gespräche herausstellt). Sonar fragt, wo wir denn übernachteten. Beim Worte "Caravan" zieht er die Augenbrauen hoch und lädt uns kurzerhand zu sich nach Hause ein. Also brechen wir auf, wobei seine körperliche Beeinträchtigung deutlich wird, wegen derer wir statt zu laufen die U-Bahn nehmen.
Mit Sonar im Bus fahren wir zu ihm nach Hause raus aus der Altstadt. Auf dem Weg kauft er noch ein paar Biere ein ('Efes' mit zusätzlichem Kaffee-Geschmack - ein absoluter Knüller!) und wir parken vor seiner Tür bei einem Neigungswinkel der Straße von subjektiven 45 Grad.

Er zeigt uns seine großzügige Maisonette-Wohnung mit Balkon und Blick auf einen Arm des Mittelmeeres. Mit Hilfe unseres Wörterbuches dehnen wir nun das Gespräch auf die Themenkomplexe türkische Geschichte, türkische Politik, Kurden, und einige weitere aus. Er zeigt uns die Ergebnisse seiner Arbeit als Grafik- und Animationsdesigner und teilt mit uns private Angelegenheiten. Viele Zigaretten werden geraucht und noch bevor ich mit dem Bierkonsum gleichziehen kann, werde ich müde. Wir legen uns schlafen. Marco Polo und ich freuen uns sehr über diesen Glücksfall, bleiben aber gleichzeitig gespannt, ob sich dieses Verhältnis ebenso umkehren würde, wie jenes zu dem alten Mann vom Vortag...
 
Am nächsten Morgen wartet Sonar mit einem großzügigen Frühstück auf. Es gibt Tee, Feta, Tomate, Gurke, Oliven und obendrein Omelette mit Suçuk. Nach Tagen der Entbehrung schliefen wir kühl, konnten uns duschen und ein üppiges Frühstück verspeisen. Da platzen in die Idylle einige Anrufe herein.


Mit den Worten 'girlfriend', 'hospital' und 'crisis' bittet uns Sonar, ihn wohin zu fahren. Ununterbrochen telefonierend, weit nach vorne lehnend gibt Sonar Anweisungen an Marco Polo, wie dieser fahren solle. Mehrmals scheint sich die Situation zu ändern und somit auch das Fahrziel. Es fängt an zu regnen und ich döse ein. Als ich aufwache, weckt mich Marco Polo mit den Worten: 'Willkommen in Asien!'. Unverhofft hatte Sonar uns über die Brücke geleitet, die auf die asiatische Seite Istanbuls führt. Nun stehen er und MP in Verhandlungen, die Autobahngebühren zurückerstattet zu bekommen. Es wird deutlich, dass unser neuer Freund etwas kurzsichtig ist und den Weg selbst nicht genau zu kennen scheint.

Nachdem die Odyssee bereits ihre Zeit in Anspruch genommen hat, bricht Sonar das Unterfangen unter Rücksicht auf unser Tagesprogramm ab. MP und ich wollen nachholen, was uns gestern verwehrt geblieben war. Nach einem kleinen Zwischenstopp im Leyla Teras (wo sich die beiden Betreiber gerade ihr Frühstück bereiten) verabreden wir uns mit Sonar, uns dort am Abend wieder zu treffen.
Der Besuch der Hagia Sofia ist beeindruckend. Der riesige Kuppelbau mit seinen hohen Türen und dem alten, dicken Mauerwerk lässt sehr bildhaft erahnen, wie die Atmosphäre im antiken Byzanz gewesen sein muss. Auch die Blaue Moschee hinterlässt bei uns einen bleibenden Eindruck. (Sehr zu meinem Bedauern ist das Museum, auf das ich mich schon sehr gefreut hatte, bei unserer Ankunft schon geschlossen.) Ich denke aber, dass ich für MP und mich schreibe, wenn ich meine, dass die sozialen Begegnungen in dieser Stadt und die Eindrücke beim Laufen durch ihre Gassen einen wesentlich stärkeren Eindruck bei uns hinterlassen haben, als diese beiden hervorragenden Bauten.
So freuen wir uns, zu unserem Abschied noch einmal die warme und freundliche Atmosphäre der Leyla Teras zu spüren. Dort sind inzwischen Sonars Freunde angekommen und es gibt - natürlich - Fisch. Wir unterhalten uns mit den Besitzern, die uns weitere Reisetipps und Telefonnummern von Freunden zuschieben, die auf unserer Strecke liegen - genauso wie Sonar, der uns ebenfalls an zwei Freunde empfiehlt. Wir tauschen Nummern und Adressen aus und verabschieden uns herzlich. (Da machen die leicht überhöhten Preise der Kneipe auch nichts mehr aus.)
In dem guten Gefühl, auf freundliche Menschen getroffen zu sein, die sich als wahre Freunde und nicht als ausnutzende Heuchler herausstellten, denen wir gerne mit dem Umherfahren geholfen haben - obwohl wir dadurch viel Zeit verloren -, ergreife ich das Steuer und fahre uns aus der Stadt heraus. Wir kommen zum Ziel-Kontinenten unserer Reise, die somit nun erst ihren tatsächlichen Anfang zu nehmen scheint.

2 Kommentare:

  1. "...dass die sozialen Begegnungen in dieser Stadt und die Eindrücke beim Laufen durch ihre Gassen einen wesentlich staerkeren Eindruck..."

    Geht mir auch so, besuche kaum noch Sehenswürdigkeiten, nehme keine Reiseführer mit. Für die Türkei hätte ich geraten, über Nebenstraßen zu fahren. Nu isses zu spät.

    Aber echt lustig, eure Einträge. Nun erlebe ich alles nochmal mit eurer Sicht - sehr schön!

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  2. Ein Artikel war lächerlich und unnötig:)))

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