Freitag, 20. August 2010

Total abgefuckt in Murgab

Neuer Tag, neues Glück! Wir versuchen noch einmal unser Glück an der Straße abgeschleppt zu werden. Lange geht gar nichts. Die Mongol-Ralley-Kids halten nicht einmal an, als wir versuchen sie zu stoppen. Ihr Glück, dass ich sie nie wieder treffen werde. Selbst Franzosen vom Roten Kreuz und dem besten Geländewagen seit Duschanbe, haben Angst ihr Auto könnte kaputt gehen und lassen uns einfach stehen. Das gibt es einfach nicht. Aber das ist mal wieder typisch für die NGO Fuzzis: „Ich möchte was zum Guten verändern in der Welt.“- Aber nicht in der Lage zwei liegen gebliebenen Studenten zu helfen.
Endlich kommt die Erlösung: Vier Polen (die ersten Polen, die wir auf unserer Reise treffen) halten mit ihrem Landrover an und geben uns erst einmal was zu essen (Polnische Pastete!) um uns dann mit all ihren Kräften abzuschleppen. Das Abschleppseil reißt dreimal, das Stahlseil, was eigentlich bis 4 Tonnen halten soll, gleich beim ersten Versuch. An den Pässen müssen alle, bis auf die Fahrer aussteigen, weil wir sonst nicht hinüber kommen. Wir fahren auf der schmalen Straße zusätzlich Serpentinen. Kurzum, 40km echte Knochenarbeit bis Alichur, dem nächst größeren Dorf. Auf dem Weg dorthin treffen wir zufällig dann auch noch eine Expeditionsgruppe von Polen, die stolz verkünden, sie hätten als erste Polen China ganz mit dem Auto durchquert.Darauf wird natürlich einer gehoben!Hier sei noch einmal ganz herzlich den ersten Menschen, die sich auch im Pamir wie welche verhalten haben gedankt und verkündet, dass ihr jederzeit eine Übernachtungsmöglichkeit in Berlin habt!
In Alichur verabschieden wir uns herzlich von den Polen, treffen wieder den Neuseeländer und finden eine Studentin, die für uns übersetzen kann. Wir bieten dem der die Zylinderkopfdichtung repariert 60$. Alle sind dabei und versprechen, dass es überhaupt kein Problem ist das entsprechende Werkzeug herzustellen. –Ist es doch. Also das Dorf gegeneinander ausgespielt und den Preis für einen Trucktransport von 240$ für 100km nach Murgab auf 160$ gedrückt. Gesagt, dass sonst einer von uns mit dem Taxi fährt und dann einen preiswerteren Truck aus Murgab holt… Allerdings hat unserer Truck kein Nummernschild und muss uns deshalb 1km vor Murgab absetzen. Wir sind einverstanden. Nebenbei werden wir von der hübschen Studentin zu ihr nach Hause eingeladen, mit der Bemerkung ihre Eltern sind nicht da… Also dort noch ein Tee getrunken und unsere Reiseapotheke an das Dorf verschenkt.Am nächsten Tag wird der Bus verladen, wobei sofort die Holzbodenbretter vom Truck brechen… Die nächste Unwägbarkeit ist die Länge der Ladefläche. Die Hinterreifen des Busses stehen nur zu einem Drittel auf ebendieser. Alles angeblich kein Problem.Während ND nur noch mit dem Kopf schüttelt und dagegen ist, das Auto so über zahlreiche Schlaglöcher, und Steigungen zu transportieren, treffe ich mit Magenscherzen die Entscheidung. Aus allen Reifen wird die Luft herausgelassen, damit der Bus nicht von der Ladefläche springt. Mit alten Telefonleitungen wird er dann abgespannt… Wir bestehen darauf, dass wir bis ins „Zentrum“ von Murgab gefahren werden, da wir ohne Luft in den Reifen ja auch nicht den letzten Kilometer abgeschleppt werden können. Also muss noch der Dorfpolizist mitkommen, damit die Polizei am Checkpoint uns durchlässt. Ich beschließe im Bus mitzufahren und die Vorderradbremse zu betätigen, weil das so ziemlich das Einzige zuverlässige an dieser Konstruktion ist. Ein alter Mann möchte auch noch mit und so sitzt er dann auf dem Beifahrersitz.Mit guter Aussicht geht es dann mehrere Stunden an erstaunten Nomadengesichtern vorbei bis nach Murgab.
In Murgab werden wir, wieder einmal vom erstaunten Neuseeländer Fahrradfahrer begrüßt. – Schon wieder der Höhepunkt unseres Tages. Außerdem trafen wir einen bärtigen Mopedfahrer mit einem Kennzeichen aus Rothenburg/Wümme. Allerdings wurde das Moped erst in Bishkek angemeldet und wird vermutlich auch dort wieder abgemeldet
Hätten wir doch bloß so ein Moped genommen...
Murgab stellt sich als ziemliches Kuhdorf (wenn’s denn überhaupt Kühe gäbe) heraus. Ich habe inzwischen vom dauerhaften Bremsetreten Krämpfe. ND hat Kopfschmerzen und Fieber. Nachdem ich von Malaria an der Tadschikisch-Afghanischen Grenze erzählt habe und uns ein paar Einheimische dort vor den Mücken gewarnt haben, glaubt er, er hätte Malaria. Vermutlich machen ihm die Höhe und eine Erkältung zu schaffen. So lädiert müssen wir uns zusammenreißen um in den nächsten Tagen konzentriert zu verhandeln, so tun, als ob es uns wunderbar ginge und wir notfalls einfach einen Transporthubschrauber rufen, der uns mitsamt Auto bis nach Osh bringt... So lernen wir die wichtigste Regel des Pamir, vielleicht ganz Tadschikistans: Egal wie schlecht es einem geht – niemals preisgeben, dass es so ist. Einfach so tun, als hätte man eine ganze Menge Optionen, ein Satellitentelefon in der Tasche, genug zu Essen, Geld und gute Laune. Niemals sagen, dass man in einer beschissenen Notlage ist. Alles wird sofort doppelt so teuer, weil man es ja wirklich braucht.
Wir werden, nachdem ich ein paar kirgisische Mechaniker erfolglos nach dem entsprechenden Werkzeug gefragt habe, zum angeblich „besten Mechaniker Murgabs, ja wenn nicht des Pamirs“ weitergereicht. Wieder sage ich, dass er nur Geld bekommt, wenn er es schafft die Zylinderkopfdichtung auszutauschen. Man ist sich einig. Das Auto wird 500 Meter zur Werkstatt geschleppt.Wobei der Fahrer natürlich Benzingeld für diese Strecke haben möchte. Wir haben inzwischen keine 100$ mehr in der Tasche um bis nach Kirgistan zu kommen. ND geht Geld tauschen, wobei er die 50€, die ich noch als allerletzte Reserve dabei habe, nur zu einem absolut schlechten Kurs loswird. Kreditkarten kann man im Umkreis von mindestens 300km völlig vergessen. Als wir nach einer Möglichkeit fragen, Geld abzuheben werden wir nur ausgelacht.
So stehen wir bei der Werkstatt des Mechanikers unseres „Vertrauens“. Nach zwei Stunden Rumprobieren mit den Schrauben, setzen ND und ich uns daneben und fragen uns langsam, was zu tun ist. 1. Möglichkeit: Einer von uns fährt nach Khorog, Werkzeug besorgen. –Problem, wenn es in Khorog kein Werkzeug gibt, muss man weiter bis Duschanbe. 2. Möglichkeit Einer fährt nach Osh und holt da Werkzeug, was nicht unwahrscheinlich ist, ganz Kirgistan fährt Audi oder VW. Problem: Wir haben zwar ein Visum für zweifache Einreise in Tadschikistan, aber kein solches für Kirgistan. Wir entscheiden uns für die 3. Möglichkeit, auch aus Zeit- und Geldgründen (eigentlich haben wir nicht mehr das Geld um ohne Auto weiterzukommen, nur noch genug Diesel): Auto verkaufen. Uns ist klar, dass wir nicht denselben Preis wie in Bishkek erzielen würden -es wäre wahrscheinlich der einzige VW-Bus in Tadschikistan- und dass es nicht wirklich einfach sein wird das Auto zu verzollen, aber die ersten Interessenten haben sich schon gemeldet, ein paar Taxifahrer. Langsam mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut (erstmal den Gegenüber runtermachen) lache ich sie für ihr China-Taxi aus. So wecke ich noch mehr ihr Interesse. Während die Mechaniker noch versuchen die Schrauben zu lösen, befinde ich mich schon in Preisverhandlungen. 1000$ werden mir geboten. Wir merken, dass es so nicht weitergeht, außerdem haben die Mechaniker noch nicht aufgegeben. Also schicken wir die Taxifahrer nach Hause und essen erst einmal mit den Mechanikern zusammen, wir werden eingeladen (auf die Pamir-Art: am Ende wird einem die Rechnung für das Essen präsentiert), zu salzigem Milch-Tee und Brot. ND geht noch zum Neuseeländer, Richard, der ihm, als er von unserem Geldproblem hört, direkt 200$ leiht, einfach so, noch nicht einmal unsere vollen Namen möchte er wissen.
Am nächsten Tag vertrösten wir alle potentiellen Käufer auf den Abend, suchen halbherzig in Murgab nach einem passenden Torxschlüssel (ein Audifahrer hat tatsächlich den Gleichen, nur halt etwas kleiner). Letztendlich räumen wir aber unsere Sachen zusammen, machen das Auto sauber und sortieren was verschenkt werden kann. Nebenbei entdecke ich bei dem Mechaniker einen Inbussatz, der doch tatsächlich das Preisschild von Autotip in Berlin trägt. Unfassbar, wir sind nicht die ersten Berliner, die hier verrecken.
Eigentlich wollten wir ja unsere Sachen, die wir nicht mehr brauchen, verschenken, aber als die ersten nach den Preisen für den Ramsch, der vor dem Wagen liegt, fragen, tut sich uns eine Möglichkeit auf mit Genugtuung den Pamir zu verlassen, wir verscherbeln den ganzen Kram an halb Murgab, bekommen für die unsinnigsten Dinge (Taucherbrille im Pamir…) Geld. Der Noodledude geht voll als Bazarhändler auf, während ich mich köstlich amüsiere. Die am Anfang so uninteressierten Käufer für den Bus werden nun auf einmal ziemlich aufgeregt. Die ganzen Fragen von vorbeikommenden Leuten nach den Preisen für die Werkzeuge, für die unsere Interessenten angeblich gar keine Verwendung haben, verunsichern sie. Irgendwo hat man doch Angst, dass der Wagen einem vor der Nase weggeschnappt wird… Man ist inzwischen bei 1500$. Ich erkläre, dass ich morgen nach Osh fahre und Ersatzteile hole, weil so billig könnte ich den Wagen ja nun wirklich nicht verkaufen… (In Wirklichkeit bleibt uns nichts anderes übrig als zu verkaufen. Die Mechaniker haben inzwischen aufgegeben und, wie sich später rausstellt auch im 300km entfernten Khorog gibt es nicht den entsprechenden Torx-Schlüssel.) Ich bin mir darüber im Klaren, schaffe es aber den Käufer auf einer emotionalen Ebene bis auf 2000$, plus freies Geleit über die Grenze, hoch zu treiben. Ich schlage sofort ein. Danach wird immer wieder versucht den Preis wieder nach unten zu drücken. Und immer wieder sage ich, dass ich nicht weiß wie das im Pamir ist, aber in Deutschland zählt der Handschlag eines Mannes. Die dadurch entstehende Verlegenheit sorgt weiterhin für einen stabilen Preis, obwohl das Geld noch lange nicht gezahlt ist... 
In der Nacht muss natürlich noch beim Käufer zu Hause auf den Deal angestoßen werden und wir bekommen das beste Essen seit Samarkand. Dass sich die Bude des Käufers im abgefucktesten Viertel von Murgab befindet und der Wodka die ganze Zeit nachgeschüttet wird, macht uns etwas stutzig. Aber unsere Sorgen scheinen unbegründet, der Kauf wird besiegelt und danach geht es noch (es ist Samstagabend) in ein Konzert, und das in Murgab! Wer dort gewesen ist, weiß was ich meine.

5 Kommentare:

  1. Habt ihr in Bishkek mal gefragt, wieviel ihr dort bekommen hättet?

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  2. Nein, leider nicht, aber wir waren in Bishkek auch ziemlich am Ende. Ein Bus scheint immer noch ganz gut wegzugehen; Maruschka! Hast Du schonmal einen Mercedes-Bus in Kirgistan verkauft? Könnte gut gehen...
    Für andere kleinere Autos sehe ich schwarz, die Einfuhrsteuern sollen ziemlich happig sein. Weißt Du genaueres? Überlege nämlich gerade wo es das nächste Mal hingehen soll/ wo man gut ein altes Auto verkaufen könnte. Georgien? Kirgistan? Westafrika?

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  3. Habe 3 MB-Busse in Kirgistan verkauft, den letzen mit Verlust, wegen der geänderten Steuer. Ich hab irgendwo eine Tabelle. Grundsätzlich richtet sie sich jetzt nach Baujahr und Größe des Motors. Sie wird höher, je älter das Auto ist. Für ganz neue ist sie auch wieder hoch.
    Anfangs richtete sie sich nach dem Verkaufspreis, da haben sie natürlich falsche Angaben gemacht.
    Wie das in anderen Ländern ist, weiß ich nicht.

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  4. Wo seid ihr denn jetzt, wieder zuhause?

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  5. Jup, wir sind in New York und Berlin. Tja, dann ist das mit dem Autoverkauf in anderen Ländern wie gehabt "Ohne Plan nach ...tan!" Wobei die Silbe ...tan ja in machen Sprachen für Land stehen soll. Also das nächste Mal "Ohne Plan nach Georgistan." Danke Dir übrigens für die vielen Tipps!

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