Montag, 23. August 2010

Wer hat gesagt, dass es einfach sein würde?

Nachdem wir noch eine Nacht im VW Bus geschlafen haben, stehen wir nun etwas verkatert auf und fangen sogleich an das Auto mit einem großen Geländewagen zum Käufer zu schleppen. Auf die standardmäßige Forderung des Abschleppenden nach Benzingeld geben wir ihm einfach einen 5liter Kanister Diesel. Sollen er und der Käufer das unter sich ausmachen. Nachdem der Bus in einen Hinterhof neben andere Schrottautos geschleppt wurde, werden uns 1300$ zugesteckt. Ob wir den Rest in tadschikischen Somoni haben wollen? Wir wollen nicht! Also wird noch schnell auf dem Schwarzmarkt gewechselt. Beeindruckend, wie an einem Platz, an dem jeder für 500m Abschleppen Benzingeld haben möchte, jemand einfach so mal 2000$ in bar zur Hand hat. Die Prüfung der Echtheit der Scheine verläuft eher oberflächig. Zumal wir ja nicht wirklich oft mit Dollars zu tun haben. Wasserzeichen? Ja vorhanden. Seriennummer? Dabei. Scheine sind benutzt. Gut. Beruhigend ist die Abgelegenheit von Murgab. Unser Käufer hat zumindest nicht genug Zeit gehabt Fälschungen aus einer größeren Stadt zu besorgen.
Der Notar braucht angeblich noch eine Stunde, bis wir den Vertrag machen können. Denn auf einen Vertrag wird bestanden. Also warten wir im Haus des Käufers und warten und warten…Insgesamt sicherlich drei Stunden, bis er wiederkommt und sagt, dass es am heutigen Sonntag nicht geht. Wer hätte das gedacht. Also verbringen wir den Tag mehr oder weniger im Hof des Käufers, schlafend, herumgammelnd und unsere Sachen packend. Immer mit der Angst im Nacken, dass der Käufer doch noch einen der von uns so sorgfältig versteckten Mängel am Bus aufdeckt und den Preis wieder runterhandeln möchte. Und wie ich da so sitze und mich umschaue, springt mir sogleich eine achtlos in der Ecke liegen gelassene Handgranate ins Auge. Auf meine Frage, ob das eine Granate sei, antwortet der Bruder des Käufers mit einem Achselzucken. Ja, das sei wohl eine Granate. Waffen scheinen, auch wenn man sie nicht überall zu Gesicht bekommt, im Zuge des vergangenen Bürgerkrieges immer noch allgegenwärtig und nichts besonderes zu sein.Am nächsten Morgen kommen wir endlich zum Notar. Dort wird ein Kaufvertrag auf Russisch ausformuliert und wir schreiben das Gleiche noch einmal auf Deutsch auf um uns abzusichern. Nachdem x-mal irgendwelche Papiere kopiert werden mussten, kommt ein Stempel drauf und alles scheint perfekt. Bis der Käufer auch noch die Kennzeichen und den Fahrzeugschein haben möchte. Ohne kann ich das Auto aber so einfach in Deutschland nicht abmelden. Also lange Diskussionen…
Bis ich sage, dass ich das Auto dann halt in Deutschland gestohlen melden muss. Das möchte man dann doch nicht. Der Käufer gibt sich mit dem internationalen Fahrzeugschein zufrieden, den ich eh nicht mehr brauche. Seine größte Forderung war ein Dokument mit eingetragener Motornummer. Da in Deutschland so was aber nicht in den Fahrzeugpapieren steht, kann ich ihm nicht wirklich helfen.
Nach allem hin und her möchte der Käufer, bevor er uns über die Grenze schleust, noch essen. Wir laufen inzwischen auf dem Zahnfleisch, wollen einfach nur weg. Bevor sich ein neues Problem auftut.
Also noch gegessen. Im Nachhinein hat uns diese Mahlzeit sehr geholfen…
Ab diesem Moment geht es ohne unseren zuverlässigen, genügsamen, fahrbaren Unterschlupf weiter. In einem China-Taxi fahren wir die letzten Kilometer zur kirgisischen Grenze. Hin- und hergerissen zwischen der Freude endlich aus Murghab wegzukommen und der Trauer unseren Begleiter über so viele Kilometer so kurz vor dem Ziel zurückzulassen, durchqueren wir bei Pamir-Popmusik mehrere Bäche, fahren zehn Meter von dem Chinesischem Grenzzaun entfernt entlang und erreichen die Grenze am späten Nachmittag.
Begrüßt werden wir durch den Knall von Gewehrschüssen. Anscheinend haben die Soldaten gerade Langeweile und schießen mal ein bisschen nach Kirgistan oder China rüber. Die Grenze befindet sich kurz vor einem 4300m hohen Pass mitten in den Bergen. Es weht ein kalter Wind von Norden und die Soldaten halten sich in einer Art Arktiscontainer auf, wo man dann zum Abstempeln des Passes hinein gebeten wird. Dort sitzen wir wie in einem U-Boot. Während manche Soldaten in ihren Doppelstockbetten liegen und dösen, sitzt der ranghöchste auf einem Stuhl dazwischen und bittet uns auf einem der Betten Platz zu nehmen. Der Noodledude ermahnt mich immer wieder bloß keinen Smalltalk einzugehen. Zusammen geraucht wird dann trotzdem. Anscheinend hat unserer Autokäufer mit den Grenzbeamten einen Deal. Wir werden weder nach irgendwelchen Zollpapieren gefragt, noch werden unsere Rücksäcke durchsucht. Ein bisschen ungläubig schaut man uns schon an, als klar wird, dass wir jeder mehr als 40 Kilo Gepäck haben und der ND sich auf eine bereits an unzähligen Stellen mit Ducktape zusammengehaltene Tragetasche vom Basar in Istanbul verlässt. Zwischen der tadschikischen Grenzstation und der kirgisischen liegen zwanzig Kilometer, ein Pass von 4.700m und, wie mir jemand mitteilte, einige Landminen. Wir verlassen also zusammen mit dem Käufer die Grenzstation, geben ihm unsere bis dahin mitgeführte Sicherheit; die Schlüssel vom Auto und den internationalen Fahrzeugschein. Schon fängt es an zu schneien. Bei eiskaltem Gegenwind und schlechter Sicht geht es die letzten Meter auf den Pass hoch. Meine ca. 45 Kilo Gepäck, verteilt auf drei Rücksäcke lassen mich jedes Gelenk meines Körpers einzeln spüren. Während der Noodledude sich ziemlich an der Basartasche, einem Rucksack und einem Ökostoffbeutel abschleppt, komme ich zumindest langsam aber stetig voran. Da ND langsam erste Anzeichen von Höhenkrankheit zeigt (oder ich selber Höhenkrank bin und deshalb so denke), laufe ich immer 200 Meter vor, um dann zurückzukommen und ihm beim Tragen zu helfen. Man kommt sich ein bisschen vor, als wäre man zu einer Erklimmung einem der höheren Alpengipfel mit Alditüten ausgestattet, aufgebrochen. Nach ca. einer Stunde haben wir den Pass überwunden und eine halbe Stunde später erblicken wir ein Haus im Niemandsland. 2,5 Stunden nachdem wir die Grenze passiert haben, sitzen wir bei einer Kirgisischen Familie am Ofen und bekommen Yakbutter und andere Leckereien serviert.Erst als langsam wieder Wärme in den Körper eindringt, und der Hunger gestillt ist, kommt ein Gefühl von Wärme, Zufriedenheit und Verwunderung auf. Wir haben es geschafft, wir sind aus Tadschikistan heraus und landen mitten im verschneiten Pamir. Das hat etwas von Weihnachten im August. So zufrieden holt ND gleich sein Origami-Papier heraus und bringt dem Sohn des Hauses bei Kraniche zu falten.

6 Kommentare:

  1. Da habt ihr ja was durchgemacht! Habt ihr den Vertrag noch jemals gebraucht?

    Die Grenze kenne ich, hast du gut beschrieben, bei uns hats auch angefangen zu schneien, und ich konnte smalltalk machen mit den Grenzern, weil meine Freundin übersetzen konnte.

    An ein Haus im Niemandsland kann ich mich nicht erinnern. Seid ihr den ganzen Weg zu Fuß bis zur kirgisischen Grenze? Konnte euch keiner mitnehmen? Ich wär gestorben!

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  2. Danke für das Kompliment, endlich mal jemand, der weiß, wie es dort aussieht und was es bedeutet, da zu Fuß rüber zu kommen! Wie wir zur Grenze gekommen sind, schreibe ich in den nächsten Tagen. Mitgenommen wird man dort anscheinend nur gegen viel Cash...richtig viel. Außerdem, wirklichen Grenzverkehr gibt es nicht.

    Der Vertrag war auch eine Art von Rückversicherung, hätten die Grenzsoldaten Stress gemacht, hätten wir zumindest noch den Käufer mit in den Knast gezogen. So musste er uns ohne Komplikationen rüber bringen.

    Ich dachte, mit einem Vertrag hat der ADAC die Möglichkeit uns die Kaution zurückzugeben. Vergiss es! Weil wir das Auto nicht beim deutschen Zoll vorgestellt haben, wird jetzt der iranische Automobilclub angefragt... Das dauert.

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  3. Oh ja, jetzt hast du ja noch das Problem mit der Kaution. Da bin ich gespannt, wie das geregelt wird. Auf dem Pamir gibt es ja keinen Zoll, der das Carnet hätte abstempeln können. Alles miserabel gelaufen.

    Ich habs oben in 4000 Metern ja nur 1 Tag lang ausgehalten, dann fluchtartig wieder runter nach Osh. Diese Grenze also einmal rein und am nächsten Tag wieder raus passiert. Wir haben da oben auch nur wenige Fahrzeuge gesehen, aber 3 Touristen auf Fahrrädern!

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  4. Irgendwas Neues mit der Kaution? Schon zurück bekommen?

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  5. Bis jetzt nüscht. Der Iranische Automobilclub wird jetzt angefragt und das kann sicherlich dauern...

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  6. hat es mit der kaution am ende noch geklappt?
    würde mich interessieren weil ich auch runter fahren werde. Danke und VG!

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