Dienstag, 17. August 2010

Wrecktrek

Tja, nicht nur dem Titel unseres Blogs, nein, wer hätte das gedacht (ein paar werden jetzt sicherlich sagen: „ich“) auch unserer Web-Adresse: „wrecktrek…“ werden wir gerecht. Das und die Auflösung, warum wir nur mit fremder Hilfe über die Grenze nach Kirgistan gekommen sind in den nächsten Zeilen:
Nachdem der letzte Versuch der Spurstangenreparatur fehlgeschlagen ist, kommt der Mechaniker nun mit der Symbiose aus Lada und Volkswagen Ersatzteil zurück und der neue Spurstangenkopf macht insgesamt den Eindruck, als ob wir es mit ihm bis Bishkek schaffen könnten. Als der Mechaniker uns noch zum Frühstück einlädt, kann ich nicht anders als zuzustimmen, immerhin kam der Noodledude gestern nicht in den Genuss des paradiesischen Dorfes und der noch paradiesischeren Tochter des Mechanikers. Das möchte ich ihm nicht vorenthalten. Aber leider lange Gesichter bei uns; das Dorf ist immer noch paradiesisch, aber der Vater hat inzwischen seine Tochter gut versteckt. Also machen wir uns auf den Weg noch tiefer in das Pamir-Gebirge. Dabei ergeben sich immer wieder, besonders für mich, spannende Ausblicke auf einige Schwemmfächer in Afghanistan. Was noch viel interessanter ist, ist das auf diesen Schwemmfächern Dörfer stehen. Irgendwie scheinen die es zu schaffen bei Starkregenereignissen das Wasser kontrolliert abfließen zu lassen… -Wie gesagt, besonders für mich Geographen sind diese Ausblicke besonders spannend, während ND sich eher für die Menschen auf der anderen Seite interessiert. Natürlich tragen alle Frauen Burka und viel mehr kann man eigentlich nicht erkennen. Dafür wird der Pyandzh-River (der Grenzfluss) immer wilder und die Tadschikischen Dörfer immer gepflegter. Wir nähern uns Khorog. Dort angekommen treffen wir wieder ein paar Mongol-Rally-Kids und kaufen einen Laib Brot, Zigaretten und einen ekelhaften Frischkäse ein. So ausgerüstet starten wir nun direkt in Richtung Murgab auf der in unserer Karte dickrot eingezeichneten Straße. Wir haben uns gegen den dünnen gelben Weg über Iskhasim weiter an der Afghanischen Grenze entlang entschieden. Und das obwohl mein Namensvetter Marco Polo vermutlich genau durch dieses Wakhan Tal auf seinem langen Weg nach China gekommen ist. Ein paar Brücken sollen seit der letzten Flut nicht mehr existieren und wir haben nicht mehr viel Zeit, wenn wir das Auto in Ruhe in Bishkek verkaufen wollen. Ungefähr einen Kilometer kommen wir aus Khorog raus, dann Polizeikontrolle. Nach 10 Minuten wird klar, dass angeblich die Erlaubnis auf unserem Pamir-Permit im Pass für diese Straße fehlt, wir also nur die halb zerstörte und mindestens einen Tag längere Straße im Süden fahren dürfen. Der Noodledude versucht es auf die Mitleidstour. -Unser Auto schafft die Südroute nicht, wir haben bei der Tadschikischen Botschaft in Berlin genau diese Strecke beantragt…- Schon ist der Schmier-Preis für die Durchfahrt bei 50 Somoni p.P. ~ 10$. Als ob irgendein Tadschike uns gegenüber jemals so etwas wie Empathie gezeigt hätte. Also auf die andere Tour. Ein Glück haben wir uns die Nummer von dem Typ im Außenministerium aufgeschrieben. Wir fragen, ob der Polizist dort anrufen könnte und das mit ihm klären kann. Natürlich nicht, dann wäre seine Einnahmequelle ja futsch. Außerdem würde auffliegen, dass er sich bestechen lassen würde. Also hole ich zu seiner Überraschung mein gesperrtes Handy ohne Netz aus der Tasche, fuchtele wie wild damit rum und gehe raus um angeblich im Außenministerium in Duschanbe anzurufen. Sofort sinkt der Preis auf 10 Somoni p.P. ~ 2$. Halb verärgert, halb belustigt verlassen wir das Feld in Richtung verbotener Straße. Es geht schnell voran und vor Einbruch der Dunkelheit sind wir kurz vor dem ersten Pass, mit 4300m ziemlich hoch. Vorher überholen wir noch einen Fahrradfahrer. 2km vor dem Pass blinkt die Kühleranzeige des Busses. Routinemäßig, da wir seit Berlin Wasser verlieren, springe ich mit einer Wasserflasche aus dem Auto und mache die Motorhaube auf. Es stinkt nach Kühlwasser und es dampft. Vermutlich hatte ND nicht auf die Kühlwassertemperatur geachtet. Dämlicherweise versuche ich, wie sonst auch, den Überdruck aus dem System entweichen zu lassen. Kühlerdeckel vorsichtig aufgeschraubt und schon fliegt er explosionsartig gemeinsam mit meiner Hand in die Höhe, wo beide, der Kühlerdeckel und davor noch meine Hand mit voller Wucht von unten gegen die Motorhaube klatschen. Ich springe zurück und das gesamte Kühlwasser bahnt sich seinen Weg nach draußen. Eine grüne Fontäne spritzt mindestens 10 Sekunden lang aus dem Motorraum nach oben. Danach Ruhe. Meine Hand pulsiert und blutet, mein Arm und mein rechtes Gesicht sind verbrüht. Sowas von bescheuert und selbst schuld...Gegen die Schmerzen und zum Kühlen wickle ich den Arm in ein wassergetränktes Handtuch ein, wir warten eine Weile, reden mit dem Fahrradfahrer, den wir vorher überholt hatten – Richard aus Neuseeland -, lassen den Wagen abkühlen und kippen wieder Wasser ins Kühlsystem. Der Bus springt an und wir schaffen 1,5 Kilometer bis kurz vor den Pass. Dann hat der Bus wieder 5 Liter Wasser verloren.Uns wird klar, dass unser Problem vermutlich keine Lappalie ist, aber zumindest den Pass wollen wir noch schaffen, um uns an der anderen Seite bis ins nächste Dorf rollen zu lassen. Pustekuchen –Auf der anderen Seite des Passes ist eine Hochebene… So schaffen wir mit 10 Liter Wasser 5 Kilometer und bleiben schließlich völlig erschöpft im Nichts liegen. Während ND bei gefühlten – 5 Grad noch versucht aus einem Bach Trinkwasser zu besorgen, nehme ich gleich Schmerzmittel um trotz der Verbrennungen schnell einzuschlafen.
Nächster Tag:
Wir versuchen Leute anzuhalten, die uns bis ins nächste Dorf schleppen. Entweder wollen sie astronomische Summen 150$ (nach langem Verhandeln) für 40km… Oder ihre Autos bleiben gleich direkt neben uns liegen (so passiert zweimal).Da nur geschätzte 10-12 Autos und ein paar Chinesische LKW’s am Tag vorbeikommen (in beiden Richtungen zusammen), liegen unsere Chancen abgeschleppt zu werden nicht wirklich gut. Einziger Lichtblick ist Richard, der mal wieder mit seinem Fahrrad vorbeigeradelt kommt.Zum Schluss schaffen wir es aber zum nächsten auf der Karte eingezeichneten "Dorf" geschleppt zu werden. Was allerdings auf der Karte noch als Dorf markiert ist, stellt sich aus der Nähe als herbe Enttäuschung heraus: Eine Kirgisische Familie lebt dort mutterseelenallein in Armut und schlägt sich mit der unerbittlichen Kälte herum.Zumindest sind sie die ersten, die uns einigermaßen freundlich begegnen und nicht sofort versuchen uns abzuziehen sondern sogar zum Tee einladen. Der Opa war mal LKW-Fahrer und möchte sich den Motor mal ansehen. Der Zylinderkopfdeckel ist schnell entfernt, genauso wie viele Schläuche, aber schon tut sich das erste Hindernis auf. Es fehlt am richtigen Werkzeug für die Zylinderkopfschrauben. Ich muss ein bisschen verärgert feststellen, dass ich auch soweit gekommen wäre und alles jetzt wieder von mir mit einer Schraube weniger (verloren) zusammengebaut werden muss.
Immerhin die Erkenntnis, dass es ohne einen Mechaniker oder Schmied, der einen Torx-Schlüssel hat oder herstellen kann, nicht weitergeht. Mit dieser Erkenntnis geht’s dann auch in den warmen Schlafsack. (Das einzige, was auf dem Plateau warm ist.)

4 Kommentare:

  1. Mann-o-Mann, das tut mir leid, so viele Schwierigkeiten!
    Wenn man kaltes Wasser in einen heißen Motor kippt, sollte der dabei laufen, sonst könnte es die Zylinderkopfdichtung kaputt machen.

    Mit der Höhe hattet ihr kein Problem? Naja, ihr seid ja jung, mir war nicht wohl da oben.

    Was ist "Schwemmfächer"?

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  2. Hab auch von anderen gelesen, dass das Kühlwasser kochte in 4000 Meter, soll am niedrigen Sidepunkt liegen. Bei anderen sprang der Motor morgens nicht an...

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  3. Der Noodledude, hatte ziemlich Kopfschmerzen, mehr dazu im nächsten Blogeintrag.
    Tja, das mit dem Motor... Unsere Zylinderkopfdichtung war schon seit Berlin undicht... Wir haben fest damit gerechnet, dass wir sie reparieren müssen, deshalb auch eine Zweite dabei gehabt, nur leider nicht an die Werkzeuge gedacht...
    Der Tip mit dem laufenden Motor ist gut, danke. Wir haben versucht den Wagen abkühlen zu lassen und dann nachzufüllen. Das Resultat kann man dann auf den nächsten Fotos bestaunen.

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  4. Ein Schwemmfächer ist ein Akkumulationsbereich eines Flusses, der meistens bei abnehmender Fließgeschwindigkeit entsteht. (Abnehmende Fließgeschwindigkeit = weniger Sediment kann transportiert werden -> Sediment wird abgelagert) Letztendlich ist, wenn man auf dieser Strecke von Tadschikistan nach Afghanistan schaut fast jedes Feld, jedes Dorf auf einem solchen Schwemmfächer gebaut. Das Beeindruckende daran: Normalerweise ändert sich der Flussverlauf auf so einem Fächer von (Jahres-) Zeit zu Zeit... Das bringt, gerade wenn man da wohnt gewisse Probleme mit sich. Aber diese Fächer scheinen schon Jahrhunderte besiedelt zu sein. Stellt sich die Frage: Wie schaffen die das, das Wasser so zu kontrollieren?

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