Mittwoch, 11. August 2010

„ohne Plan nach Tadschikistan“ oder „eine Nacht im Knast“

Ersteinmal vorweggenommen: Wir haben mit unserem Blogtitel nicht zu viel versprochen. Tatsächlich "Ohne Plan..." aber leider auch, oder gerade deshalb, mit Konsequenzen.
Nachdem wir das abgefuckteste Hotel unserer Reise in Tashkent hinter uns gelassen haben, wird noch Plov und alles andere was die benachbarte Milchbar hergibt, getestet und tatsächlich: das Essen ist hervorragend, preiswert und wir spielen schon mit dem Gedanken, länger in Tashkent zu bleiben und uns die Bäuche vollzuschlagen. Am Ende machen wir uns trotz aller Gedankenspielereien auf den Weg nach Tadschikistan.Es geht nach Süden und der VW-Bus macht komische Geräusche. Also schnell noch am Straßenrand ein paar Schrauben festgezurrt, ein Ölleck abgedichtet und ein paar Schäden an der unteren Motorabdeckung ausgebeult. Das Geräusch bleibt (kaputtes Radlager?). Der Bus schlägt sich trotzdem wacker und während der Tag langsam zur neige geht, fahre ich bei der dritten Polizeikontrolle dann tatsächlich zu schnell. Der Polizist möchte 60$ haben. Ich bin nicht bereit die Dollar zu zahlen, lasse mich aber dummerweise auf Verhandlungen ein – ein Fehler. Es endet dann damit, dass ich dem Polizisten wutentbrannt unsere letzten usbekischen Sum im Gegenwert 5$ auf den Tisch knalle und mich weigere ihm die Hand zu geben. Mit schlechtem Gefühl im Bauch und der Erwartung endlich aus Usbekistan mit seinen korrupten Polizisten herauszukommen und an normalen Tankstellen - nicht auf dem Schwarzmarkt - tanken zu können, geht es weiter ohne Geld aber hoffnungsvoll im roten Licht des Sonnenunterganges in Richtung tadschikischer Grenze.Die Karte zeigt eine dicke Hauptstraße über die Grenze nach Tadschikistan. Nach mehrmaligem Nachfragen stellt sich heraus, dass es an dieser Stelle keinen Grenzübergang gibt. Aber 80km weiter nach Osten soll die Grenze passierbar sein. Die Karte zeigt dort auch eine große Straße nach Tadschikistan auf. (An dieser Stelle seien alle Zentralasienreisende vor der (reißfesten!) Karte des Reise-Know-How Verlages gewarnt. Während die Fehler, die sich immer wieder in die Karten dieses Verlages einschleichen woanders nicht so schwer wiegen, sind falsche Kilometerangaben, Grenz- und Straßenverläufe in Zentralasien fatal und können fatale Folgen haben! -So auch bei uns:)
In der Dämmerung machen wir uns also auf den Weg dorthin. Dreimal verfahren wir uns auf irgendwelche Äcker, bis wir (endlich) an eine Polizeikontrolle heranfahren. Die Polizisten erklären uns den Weg zur Grenze und wir folgen ihren Beschreibungen bis ein paar Betonsperren auf der Straße liegen. Schnell drumherum gefahren, dass kann ja nur der Grenzposten sein. Im Stockdunkeln rollen wir auf eine Brücke an deren Ende dann tatsächlich ein Militärposten steht. Je näher wir dem Posten kommen, desto klarer wird uns, dass hier nicht der Grenzübergang sein wird. Zumindest können wir den Posten nach dem richtigen Grenzübertrittspunkt fragen. Ein einziger 19jähriger Soldat kommt uns mit dummen Gesicht entgegen. Wir fragen nach dem Weg. Er gibt uns eigentlich nur zu verstehen, dass zwanzig Meter weiter Tadschikistan ist und dass wir nicht wegfahren dürfen bis der Kommandant vorbeikommt. Der wird schnell per Funk verständigt. Bis er es aber geschafft hat sich von der nächsten Kneipe zu uns zu bewegen, vergeht eine ziemlich lange Zeit. Der Noodledude hält derweil ein Nickerchen, während ich versuche über das alt bewährte Mittel der gemeinsamen Zigarette mit dem Grenzsoldaten ins Gespräch zu kommen... -Er raucht nicht und während ich an meiner Zigarette ziehe und ab und zu ein paar Blicke hinunter in das dunkle Wasser des Syr Darya werfe, kommt kein Gespräch zustande. Er ist eher unentschlossen, wie er uns einschätzen soll. Westliche Spione, Drogenschmuggler? Was machen wir um diese Zeit an seinem Kontrollposten? Man kann direkt zuschauen wie sein Gehirn arbeitet. Die ganzen Fragen scheinen ihn wahnsinnig zu beschäftigen, während mich eher die Frage beschäftigt, ob seine Kalaschnikow geladen ist und zu welchem Schluss er wohl kommt. So steht dann nachts ein VW-Bus mit Berliner Kennzeichen auf einer Brücke über dem Syr Darya, daneben ein verwirrter Grenzsoldat und der rauchende Fahrer, währende der Noodledude anfängt auf dem Beifahrersitz zu schnarchen.
So lange bis der Kommandant mit Helm auf dem Fahrrad angerollt kommt. 

von irgendwo her springt noch ein anderer, dritter Soldat aus den Büschen. So stehen wir dann da. Keiner der Soldaten kann Englisch und unser Russisch ist auch stark begrenzt. Wir machen klar, warum wir uns um diese Urzeit an diesem Ort aufhalten. Sie machen uns klar, dass wir uns an diesem Ort nicht aufhalten dürfen. An diesem Punkt kommt dann die Kommunikation immer wieder zum erliegen. Wie später ND sagt, war das der Moment an dem sich alles noch ohne Komplikationen klären hätte können. Hätte der Kommandant die Eier gehabt, uns, aufgrund der Offensichtlichkeit, dass wir keine Wodka-Martini trinkenden 00-Agenten sind, in diesem Moment einfach gehen zu lassen, hätte sich die ganze Angelegenheit für beide Seiten in Wohlgefallen auflösen können. Das wäre sicherlich für beide Seiten auch das Beste gewesen. Aber dumm-dämliche Polizisten und Militärs sind in Zentralasien die Regel und die Courage etwas selber zu entscheiden hat eh niemand. Also geht es los zur Kaserne. Wobei wir natürlich zwei voll bewaffnete Soldaten mit dorthin kutschieren müssen. In der Kaserne versucht dann der General, oder wer er auch immer war, umringt von 10 Soldaten einen Freund anzurufen, der übersetzen soll. Leider ist das örtliche Mobilfunknetz nicht in der Lage ein Gespräch von länger als 30 Sekunden zu ermöglichen. So wird alles sehr müßig und ich überlasse die Kommunikation ND. Es werden Protokolle geschrieben, die von uns unterschrieben werden sollen. Der Noodledude weigert sich. Während die Nacht voranschreitet, werden wir zur örtlichen Militz weitergereicht.
Inzwischen fahren nicht mehr nur zwei sondern gleich drei bis vier Soldaten bei uns mit. Die Gewehre passen, zumindest gefühlt, kaum mehr mit in den Bus. Bei der Miliz müssen wir erst einmal um eine Straßensperre herumfahren und dann direkt auf den sowjetisch beleuchteten und ummauerten Hof. Wir werden in ein Verhörzimmer oder auch nur Büro von dem diensthabenden Polizeischergen geführt und ich erinnere mich sogleich an meine von diversen Filmen geprägten Vorstellungen von Verhören in der ehemaligen DDR. ND wird noch einmal darauf hingewiesen, dass er ein Protokoll zu unterschreiben hat. Weiterhin weigert er sich beharrlich. Die Stimmung wird ungemütlich und uns wird deutlich, dass wir heute Abend nicht mehr ein schönes Plätzchen zum übernachten suchen werden. Wir werden also festgehalten und als uns ein Schlafplätzchen in der Zelle angeboten wird, bestehen wir darauf im Auto zu übernachten, auf keinen Fall in der Zelle. Also runter in den abgesperrten Hof. Nicht aber ins Bett, ohne das der Bus noch inspiziert wird. Während der diensthabende Fetti sich gerade auf dem Fahrersitz niederlässt, und Stück für Stück den Bus durchsucht, alles betatscht und aufmacht, stehen wir ziemlich hilflos daneben. Es geht eigentlich nur darum uns zu erniedrigen und ich bin in diesem Moment das erste Mal wirklich froh, dass wir nicht mit einer Frau zusammen reisen. Seine Hände finden das Netbook. Sogleich will er Fotos aus Deutschland sehen. Er hat die Grenze unserer Privatsphäre überschritten. Das ist der Moment wo wir einstimmig genau diese Grenze ziehen und bestimmt mitteilen, dass das nicht drin ist. Der Milizionär ist überrascht, wollte aber anscheinend wirklich nur ausprobieren, wie weit er gehen kann. Vermutlich hat er noch garnichtmal ein großes Interesse daran Fotos anzuschauen. Es ging ihm mehr um unsere Erniedrigung. Sein Macht- und Kompetenzbereich scheint aber so klein zu sein, dass er es nicht wagt einen Schritt weiter zu gehen. Langsam zieht er ab.
Mit gestelltem Wecker und dem Versprechen, dass morgen der Milizchef um neun unseren Fall bearbeiten wird und wir dann weiterfahren dürfen, schlafen wir beunruhigt im Auto auf dem abgesperrten Hof des Knastes ein.
Aber immerhin: Dem Titel unseres Blogs sind wir gerecht geworden: "Ohne Plan nach Tadschikistan".

3 Kommentare:

  1. Hihi.... Für sowas fährt man halt in den wilden Osten! Ihr könnt aber ruhig alles unterschreiben, ist doch eh wurscht. Die wollen euch nicht erniedrigen, die haben nur Langeweile und wollen wirklich Fotos von Deutschland sehen, weil Deutschland für die sowas wie ein Schlaraffenland ist.
    Man kann ihnen aber auch bisschen Angst machen, indem ihr hochstapelt und sagt, ihr seid die Söhne vom deutschen Konsul oder irgendwas.... Die haben meist eine Heidenangst nach oben...

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  2. Naja, die anderen waren auch interessiert und freundlich, und wir sind sicherlich keine schlechten Hochstapler, wie wir immer wieder bei den Polizeikontrollen unter Beweis stellen konnten. Aber dieser eine, aus dieser Nacht, der war nicht in Ordnung, ganz und gar nicht.

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  3. Ja, kann wohl sein, gibt widerliche Typen dabei.

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