Nach einer ausgezeichneten Nacht auf unserem schönen Platz fahren wir wenige Kilometer weiter nach Derinkuyu. Dabei handelt es sich um ein weiteres der recht hässlich gebauten Dörfer dieser Gegend, wo der blitz-blanke Zustand der Straße, der Bürgersteige und der Grünstreifen versucht, über die Armut der Gegend hinwegzutäuschen. In Wirklichkeit scheint es hier keine andere wirkliche Einnahmequelle zu geben, als die unterirdische Stadt, auf der Derinkuyu steht. Wieder drängen sich Souvenir- und Essensstände zwischen Parkplatz und Eingang. Auch hier versucht man uns etwas zu günstigsten Preisen zu verkaufen – aber auch wieder nicht so energisch und nervend, wie ich es in Luxor erlebt hatte.
Bereits beim Eingang treffen wir Bekannte von gestern. Der Eingang kommt sehr schlecht daher. Keiner würde vermuten, dass sich dahinter sieben Stockwerke befinden, in denen tausende von Menschen Zuflucht finden sollten. Ob dies tatsächlich jemals geschah, können wir nicht herausfinden. Nichts desto trotz ist beeindruckend, was sich die früh-mittelalterlichen Erbauer ausgedacht haben: Mühlensteine, die die Tunnel verschließen können; ausgedehnte Belüftungssysteme; Ställe und Möglichkeiten, Wasser und Lebensmittel für den Fall langer Belagerungen zu horten. Sogar an einen Versammlungsraum, eine Kirche, ein Taufbecken und eine Weinkelterei wurde gedacht.
MP ist begeistert von der Anlage und klettert entzückt in jedes kleine Loch und läuft in jeden Tunnel mit seiner eigenen Taschenlampe. Mir genügt die großzügig angebrachte Beleuchtung und bald melden Knie und Rücken, dass ich eine Weile nicht aufrecht gewesen sein muss. Also bin ich ganz froh, dort auch wieder heraus zu sein. Schließlich handelt es sich bei jedem neuen Stockwerk nur um ein weiteres Geflecht an Tunneln und Räumen, die sich doch alle sehr ähneln...
Noch einmal die wunderbaren Toiletten genutzt, dann wieder durch die Touristengasse zurück zu unserem Auto. Doch als wir losfahren wollen, ruft uns ein kleiner Junge zu. Ich höre nicht hin – sicherlich wieder nur ein weiterer, der uns etwas verkaufen will... Aber MP lässt sich hinreissen und wendet sich dem Kleinen zu, der auf den Boden unter unserem Auto deutet. Hingeschaut erblicken wir dort einen Hund, der seine Siesta im Schatten unseres Busses hält. Weil meine westlich-verweichlichte Art mit Tieren umzugehen nicht ausreicht, bedarf es der energischen Hilfe einer Einheimischen, um ihn zu vertreiben, bevor wir unsere Reise fortsetzen können.
Unser Weg führt uns nach Iskenderun. Denn seit Istanbul bereits bestand ich darauf, auch einmal das Mittelmeer in der Türkei zu besuchen. Von Adana, was sich im Vorbeifahren als Industriestadt entpuppte, rieten uns viele Leute ab. Iskenderun war die nächste Wahl, wenngleich ein Besuch des antiken Antioch natürlich auch interessant gewesen wäre... So musste sich meine Freude an antiken Stätten damit begnügen, am Schlachtfeld vorbeizufahren, wo Alexander der Große Europa vor den asiatischen Barbaren mit ihrem mangelnden Verständnis von individueller Freiheit (so das Narrativ) bewahrte.
Beeindruckender war aber der erneute Wechsel der Landschaft: Wir verlassen die kappadokische Ebene und kommen in ein weiteres Gebirge. Die Berge sind grün mit Bäumen bewachsen und es wird langsam schwüler. Wolken erscheinen am Himmel und die Sicht wird diesig eingeschränkt.
Iskenderun empfängt uns mit einer breiten Straße entlang der langen Uferpromenade. Auf der Suche nach der Touristeninformation (um eine bessere Karte zu erhaschen) und einem Parkplatz, halten wir schließlich auf selbiger und wollen die Promenade entlanglaufen. Wir werden aber von den Angestellten einer Chaieria angehalten und auf einen Tee eingeladen. Zwei von ihnen stellen sich als Syrer heraus, die hier Arbeit gefunden haben und andeuten, uns Drogen verkaufen zu können...Typisch!?
Bei unserem Rundgang mach sich der arabische Einschlag besonders im schönen, weiblichen Teil der Bevölkerung bemerkbar. Ein Typ quatscht uns auf Deutsch an, wie er uns helfen könnte. Wir sind aber misstrauisch und versuchen, ihn beim Einkauf unserer Lebensmittel abzuschütteln. Aber er ist ein hartnäckiger Gesell. Erst als wir in einige kleinere Straßen einbiegen und ein paar Haken schlagen, hängen wir ihn schließlich ab und finden einen netten Imbiss, wo wir gemütlich zwei Fischbrötchen genießen.
Zurück am Ufer schaut M.P. in den Sonnenuntergang, während ich noch die letzten Dinge einkaufe. Ich treffe ihn auf den Felsen sitzend wieder, die das Ufer begrenzen, während auf dem dahinter liegenden Atatürk-Platz eine Mordsgaudi losgeht. Eine live-Bühne ist aufgebaut, von der schnulzige Musik herabgetrellert wird.
Wir machen uns auf den Weg, einen Übernachtungsplatz zu finden und werden dabei über die Küstenstraße von den drängelnden Autofahrern gejagt. Die meisten Stichstraßen Richtung Ufer führen in beleuchtete Dörfer, in denen wir nicht gerne stehen möchten, oder in Siedlungen reicherer Mitbürger, die von Zäunen und Schranken umsäumt und bewacht werden. Schließlich sind wir lange unterwegs bis wir uns für einen Platz entscheiden, der sich später als Baustelle der zukünftigen Küsten-Schnellstraße herausstellt. Es scheint auch der Platz zu sein, wo sich frisch verliebte Pärchen treffen. In der Dunkelheit gehen kurz ins Meer, um uns endlich mal wieder zu waschen und legen uns alsbald schlafen.
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