Samstag, 10. Juli 2010

Täbriz

Unser erstes Ziel im Iran ist Täbriz. Wir brechen unser Lager am Rande der Autobahn ab und fahren direkt in die Stadt. Mit Kompass und Karte im Reiseführer sind wir auch schnell im Zentrum. Wie das Parken organisiert ist, haben wir nicht rausgefunden, uns aber nach ein paar Runden um den Block für einen Platz entschieden. In der Touristeninformation spreche ich den Angestellten beim Namen an, den ich zufällig aus dem Reiseführer behalten hatte. Zum Dank gibt es erst einmal einen Tee am Tisch direkt vor der Klimaanlage. Er ist sehr interessiert, seine Informationen auf den neuesten Stand zu bringen und fragt uns darüber aus, wie wir über die Grenze kamen und wie wir reisen. Das Ganze in fließendem Deutsch, kombiniert mit vielen souveränen, nicht aufdringlichen Versuchen, uns Reiseführer und Karten zu verkaufen oder andere Dienstleistungen anzubieten. Ich nutze die Gelegenheit, um Geld zu wechseln.
Wie auf einem Basar geht es erst richtig zu, als weitere Touristen vorbeikommen, deren Bedürfnisse ebenfalls bedient werden wollen. Ein Slowake, der gerade durch den ganzen Iran gereist und nun auf dem Weg nach Armenien ist, zwei Spanier und vor allem zwei Engländer, die von England bis hier mit dem Fahrrad gefahren sind und unseren Bus am Rande der Autobahn gesehen haben, als MP und ich noch schliefen. Wir haben uns gut verstanden und verabredet, uns vielleicht an der Grenze zu Turkmenistan wiederzutreffen, denn die beiden wollen über die zentralasiatischen Republiken nach Tibet und weiter nach Indien bis Sri Lanka fahren. Mit einem Bündel Rials, einem Stadtplan in der Tasche und voller Neid und einem schlechten Gewissen, dass unsere Tour in ihrer Krassheit so locker und schnell übertrumpft wurde, laufen wir durch die Stadt auf dem Weg zur Blauen Moschee – DER lokalen Attraktion.
Wir treffen einen jungen Mann, der perfekt Deutsch spricht, uns ein Stück begleitet und uns weiterhelfen will. Er spricht davon, wie er Deutschland verlassen musste und den Iranischen Militärdienst vermeiden will aber keine Arbeit findet und wie schlecht die Bedingungen im Land seien, dass es unmöglich wäre, hier zu leben. Am Ende bittet er uns um 2€.
Wenige Schritte weiter durch die Einkaufsstraße – in der es nichts zu trinken zu kaufen gibt, nur Klamotten- und Schuhläden – ergibt sich der nächste Sozialkontakt. Kaum im Iran angekommen, wird MP von einer jungen Iranerin angegraben, die sehr zu seinem Bedauern der Schönheit ihrer Artgenossinnen um einiges nachsteht. In gutem Englisch berichtet sie, dass sie Designstudentin ist und erkundigt sich nach unseren Eindrücken ihres Landes. Schließlich verschwindet sie so schnell wie sie gekommen ist und wir biegen in eine Straße ein, in der es endlich eine Saftbar gibt. MP und ich genehmigen uns erst einmal einen Honigmelonen-Shake, den mir der Slowake unbedingt ungesüßt empfahl. Diesem Genuss hingegeben, betritt jene Studentin von vorhin die Bar und setzt sich unauffällig an einen anderen Tisch, ohne uns zu beachten. Sollen wir sie anreden...? Unseren Shake schnell ausgetrunken, fliehen wir vor MP's Stalkerin und machen wenig später weitere Begegnungen der weiblichen Art. In der Blauen Moschee schauen sich drei hübsche Iranerinnen die Architektur an und als wir so am Rande dasitzen, kommen zwei Touristinnen – zur Hälfte mit strahlendem Gesicht und in Begleitung eines iranischen Pärchens – auf uns zu. Sie sind aus Holland und auf ihrem Weg durch Syrien, die Türkei und den Irak (!) im Iran angekommen. Nach einer kurzen Fachsimpelei über die WM müssen MP und ich sehr zu unserem Bedauern feststellen, dass unsere Reisrouten nicht besonders kompatibel sind und verabschieden uns in der Hoffnung auf ein Wiedersehen.Auf dem Rückweg merken wir, wie sich das Verhalten aller in unserer Anwesenheit leicht verändert und wir für einen kurzen Moment die Aufmerksamkeit bei uns haben. Allerdings traut sich kaum einer der Einheimischen, uns anzusprechen, geschweige denn so aufdringlich (im Positiven wie im Negativen) zu sein wie in Kurdistan. Auch im Fahrstil lassen sich kulturelle Unterschiede feststellen (siehe Extra-Post), die uns zunehmend beanspruchen, je näher wir nach Teheran kommen. Die Landschaft von der Grenze bis die Sonne untergeht, bleibt recht gleichförmig. Kargheit, Lehmbraun und Bergketten sind unsere ständigen Begleiter.
Als wir nach Teheran reinfahren, ist es längst dunkel. Wir biegen von der Stadtautobahn ab und irren umher, in der Hoffnung, zufällig auf eine der Straßen zu geraten, die auf unserer kleinen Ausschnittskarte im Reiseführer eingezeichnet ist. Wir fragen Menschen, die uns mit Hand uns Fuß getrost in unterschiedliche Richtungen weisen, bis wir schließlich Erfolg haben. Meine Kommunikation mit MP beschränkt sich auf „links!“ „rechts!“, usw. Er muss sich voll auf den Verkehr konzentrieren, während ich keine Gelegenheit verstreichen lassen darf, ein Straßen- oder Hinweisschild zu finden. Unser Ziel: etwas essen und telefonieren.
Als wir endlich wissen, wo wir uns befinden, fahren wir ins südliche Stadtzentrum, wo wir zwischen all den bereits geschlossenen Geschäften ein paar Imbisse entdecken. Wir halten und finden ein Kebab-Haus, in dem die WM übertragen wir. Begleitet von einer Auswahl verschiedener Spieße verfolgen wir das Deutschlandspiel um den dritten Platz, nachdem ich vom Telefon des Lokals unsere Teheraner Freundin Sima erreicht habe. Sie und ihr Mann Milad holen uns ab, als MP und ich bereits auf der Straße sitzen. Eine Polizeistreife hatte den Wirten schließlich schon anhupend darauf hingewiesen, sein Geschäft zu schließen. Mit Motorradeskorte durch Milad werden wir zu ihrer Wohnung gelotst, wo wir bis um vier Uhr nachts noch sitzen und uns froh und aufgeregt unterhalten.

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