Montag, 5. Juli 2010

Durch das wilde Kurdistan *2

Nachdem wir mal wieder schweißgebadet in praller Sonne aufwachen und verschlafen bei 40Grad im Schatten stehen, kommt ein Mann mit weißer Schürze auf uns zu. Ich traue meinen Augen nicht. Steht da doch vor mir Jemand den ich sehr gut kenne. Zumindest sein Bruder könnte er sein. Er ist der Koch des Trucker-Treffs in Nusaybin und ist einem sehr guten Schulfreund aus Berlin mit kurdischer Herkunft wie aus dem Gesicht geschnitten. Deshalb schon wirkt auf einmal vieles vertraut. Das er auch noch Englisch spricht, tut sein übriges und wir unterhalten uns lange über dies und jenes werden zu einem Chai nach dem nächsten eingeladen. Genau die Verhaltensweise meines Schulfreundes. Wir werden dem Besitzer des Trucker -Treffs vorgestellt und erfahren das er selbst einmal Trucker war und unter anderem den Iran, Turkmenistan und Usbekistan befahren hat. Er warnt uns vor den Iranischen Autofahrern, was uns sogleich in Angst und Schrecken versetzt, wenn wir an die letzte Nacht und den beinahe Zusammenstoß denken.
Es wird uns mal wieder keine Chance gelassen irgendeine Rechnung zu übernehmen. Wir verabschieden uns beschämt von der Gastfreundschaft und fahren Richtung Nusaybin „Sehir Merkesi“- „City Center“. Wobei man bei Nusaybin nicht wirklich von „City“ sprechen kann. Der Noodledude möchte noch den Onkel einer Freundin aus Berlin in Nusaybin ausfindig machen und von ihr grüßen. Wobei wir lediglich wissen, dass er ein Textilgeschäft in der Nähe der „deutschen Brücke“ (Womit vermutlich eine Eisenbahnbrücke der Bagdad-Bahn gemeint ist.) besitzt und Eydin heißt. Leider müssen wir feststellen, dass es eine ziemliche Menge an Textilgeschäften in Nusaybin gibt, ein Dutzend Eisenbahnbrücken und niemanden der uns wirklich weiterhelfen kann. Auf einmal taucht eine S-Klasse mit Hildesheimer Kennzeichen vor uns auf. Seit Tagen das erste Auto mit deutschem Kennzeichen. So ein Glück. Schnell den Wagen angehalten und die türkisch-deutsche Familie um Rat gefragt. Mit leichtem norddeutschen Dialekt wir uns geholfen und zwei deutsche Autos, ein schrottreifer VW-Bus und eine blitzblank polierte S-Klasse quetschen sich nacheinander an Melonenverkäufern, Schuhputzern und Marktkarren vorbei durch das „Zentrum“ von Nusaybin. Am Ende müssen sich auch die Hildesheimer geschlagen geben. Niemand kennt den Onkel und wir machen uns schnell auf den Weg nach Tatvan. Vorbei an Midyat, einer antiken Stadt, wobei wir nicht wirklich die Großartigkeit dieser Stadt vor tausenden von Jahren erahnen können und auch im örtlichen unterirdischen (gar nicht so schlecht bei der Hitze) Museum nichts wirklich interessantes finden.Nur ein großes chilliges Bett, auf dem man am liebsten Wasserpfeife rauchend und Chai trinkend den heißen Tag verbringen möchte, erregt unsere Aufmerksamkeit.
Nach Mydiat bei gefühlten 60 Grad in der Sonne, frühstücken wir endlich an den Ufern des Tigris und lassen unsere Phantasie den Fluss hinunter bis nach Bagdad treiben. Wir sind in Mesopotamien angekommen.Weiter in die kurdischen Berge und endlich nach Norden. Pro 100 Kilometer gefühltes 1 Grad kälter. Überall in Kurdistan scheinen Straßen gebaut zu werden, so dass wir meistens über unfertige Schotter-, Stein-, Sandpisten holpern und jeder Kilometer zur Qual wird. Ich kränkel auf dem Beifahrersitz vor mich hin, während ND jeden Kilometer durch die kurdischen Berge wacker erkämpft. Zwischendurch wache ich aus meinem weggetreten Zustand auf und sehe einen brennenden LKW vor mir. Aus meinen Hitzeträumen gerissen, reiße ich die Autotür auf und renne auf Flip-Flops einem mutigen kurdischen LKW-Fahrer hinterher, nicht ohne vorher den alten Feuerlöscher aus dem Bus mitzunehmen. Nach ca. fünf Metern merke ich, dass es draußen schon ziemlich heiß ist. Nach zehn Metern nimmt mir der Rauch die Luft weg. Nach 15 Metern kann ich nicht wirklich mehr was sehen und kehre um. Als ich anfange Wasser in ein Handtuch zu schütten und es mir vor den Mund zu halten weckt mich der ND ein zweites Mal und bringt mich zurück auf den Erdboden. Wir steigen wieder ins Auto ein, schließen die Fenster und beobachten den schnellen Feuerwehreinsatz beim Löschen des Lasters. Nach 10 Minuten ist der Spuk vorbei und wir können weiterfahren. Der LKW-Fahrer hat überlebt und ich bin froh, dass der ND mich aus meinen „Lösch-das-Feuer-Wahn“ aufgeweckt hat, meine Lunge so die Aussicht auf weitere spannende Erlebnisse mit südostanatolischem Tabak hat und der ND nicht unsere ganzen Tabakvorräte zu schlechten Konditionen auf dem nächsten Basar verhökern muss.
Weiter geht es an diversen türkischen Militärposten vorbei nach Bitlis. In Bitlis scheint sich der ganze Verkehr vom Schwarzen Meer nach Syrien durch die enge Altstadt zu quetschen. Was dazu führt das eigentlich gar nichts mehr geht... Autos die in zweiter Reihe parken leisten ihren Beitrag dazu und als der ND von der gegenüberliegenden Seite zum Chai eingeladen wird, spielt man mit dem Gedanken einfach den Bus mitten auf der Straße stehen zu lassen und erstmal einen Chai trinken zu gehen. Der Verkehr würde endgültig kollabieren und wir hätten Zeit uns der im Vergleich zu Midyat, Mardin, und Urfa völlig anderen Stadt zu widmen. Alles hier, die Menschen, die Architektur und das Klima ist anders. Wir fahren aber weiter, sind nach einer weiteren Stunde endlich in Tatvan angekommen und ich erkenne die Stadt, die ich vor neun Jahren bereits besucht habe wieder. Am Eisenbahnfähranleger nachgefragt, fährt am nächsten Tag eine Fähre um 11h morgens nach Van. Also erst einmal einen Chai getrunken und sofort Freunde gefunden. Ein rothaariger Kurde wird sofort geholt, als klar wird, dass wir aus Berlin kommen. Er hat in Spandau gelebt und eine Dönerbude in Mariendorf gehabt. Jetzt betreibt er ein Internetcafé in Tatvan. Warum er nach Deutschland gekommen ist? Er hat in den Bergen gelebt und sich mit deutschen Touristen und Maschinengewehr fotografieren lassen. Die Bilder der deutschen Touristen sind dann irgendwie in die Hände des türkischen Militärs gelangt...
Ein Lehrer gesellt sich zu uns und erzählt uns in sehr gutem Englisch von seinem Studium in Kirgistan, korrupten Polizisten und dass wir, wenn wir den Bus verkaufen, auf Falschgeld achten sollen.
Weiter werden wir auf den Vulkan, der vor langer Zeit den Vansee durch einen Ausbruch zu einem See ohne Abfluss gemacht hat, und seine wunderschönen warmen Kraterseen aufmerksam gemacht. Also nichts wie hoch in der Dunkelheit im ersten Gang eine Dreiviertelstunde am Abgrund entlang und auf dem Vulkan einen Schlafplatz ca. 1000 Meter über Tatvan mit herrlichem Blick über die Stadt und endlich auch ein bisschen kühlem Wind gefunden.

1 Kommentar:

  1. O Gott, Leute, ich bin zu alt um zu checken, dass die Chronologie hier durcheinander geht! Ich muss mich also von meiner stumpfsinnigen westlichen Linearität verabschieden, um euren Einträgen folgen zu können. Und wieder den Horizont erweitert, nachdem ich schon die Bedeutung von "Saldo Guthaben" lernen musste.... Viele Grüße an euch, klingt alles total spannend und ist immer eine große Freude eure Berichte zu lesen und von euch zu hören!

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